fachkräftemangel

Fachkräftemangel: Definition, Ursachen, Branchen und Fachkräftepotentiale in 2024

Adrian Hergt
Lesezeit: ca. 10 Minuten

Das Thema Fachkräftemangel in deutschen Unternehmen steht auch im Jahr 2024 im Fokus der öffentlichen Debatte (Jahresgutachten, KfW Research). Gute Bewerber und qualifizierte Mitarbeiter werden in der Deutschen Industrie sowie im Dienstleistungssektor knapp. Der Begriff "Demografischer Wandel" ist in aller Munde. Millionen Arbeits- und Fachkräfte werden in der näheren Zukunft in den Ruhestand gehen. Dies wird das Problem verstärken. In Kombination mit den Folgen der Corona-Pandemie könnten diese Engpässe das Wachstum der Wirtschaft erheblich ausbremsen.

Zwar steuert Deutschland nicht auf einen flächendeckenden Fachkräftemangel zu. In bestimmten Branchen und Berufen (IT-Branche, Pflege, LKW-Fahrer etc.) fehlen jedoch bereits jetzt geeignete Fachkräfte. In anderen Industriestaaten (zum Beispiel in der Schweiz, in Österreich und in anderen EU-Ländern) ist die Situation ähnlich. Große Unternehmen (Global Player) sind von diesem Thema gleichermaßen betroffen wie mittelständische Unternehmen.

Die Bundesregierung hat aus diesem Grund in den vergangenen Jahren verschiedene Programme initiiert, um dieses Problem bis zum Jahr 2030 und darüber hinaus zu lösen. Zu den durch die Bundesregierung implementierten Maßnahmen zählen das "Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung" und das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG).

In diesem Beitrag informieren wir darüber, wie der Mangel an ausgebildeten Fachkräften definiert ist, welche Ursachen er hat, welche Branchen besonders vom Fachkräftemangel betroffen sind und welche Chancen in diesem Zusammenhang mit der Zuwanderung verbunden sind.

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Was wird unter Fachkräftemangel verstanden?

Gemäß allgemeiner Definition besteht Fachkräftemangel, wenn die Nachfrage nach Arbeit durch die Unternehmen höher ist als das Angebot an Arbeit. In der Folge gelingt es vielen Unternehmen nicht, den Personalbedarf mit geeigneten Fachkräften zu decken.

Neben dem Kapital und dem Boden stellt die menschliche Arbeit den dritten Produktionsfaktor dar. Dieser Faktor ist sehr heterogen. Im Produktionsprozess ist meistens der Einsatz qualifizierter Arbeit erforderlich. Aus diesem Grund können Arbeitskräfte sich nicht ohne Weiteres untereinander ersetzen, stattdessen ist der Einsatz speziell geschulter Fachkräfte erforderlich. Viele Tätigkeiten in den Unternehmen setzen einen berufsspezifischen Abschluss voraus. Fachkräftemangel kann demzufolge auch bedeuten, dass zwar Arbeitskräfte verfügbar sind, diese aber nicht über die passende Ausbildung verfügen, um die offenen Stellen zu besetzen.

Die Folge des Fachkräftemangels und dessen kontinuierlicher Entwicklung ist ein geringeres Wirtschaftswachstum. Dem Mittelstandsbarometer Deutschland zufolge waren im Jahr 2016 49 Prozent der befragten mittelständischen Betriebe der Ansicht, dass der Mangel an qualifizierten Fachkräften und somit nicht besetzten offenen Stellen zu einem Umsatzrückgang oder nicht ausgelasteten Kapazitäten führt.

Um das Ausmaß der Situation zu beziffern, hat BIBB-IAB in der fünften Welle der Qualifikations- und Berufsprojektionen (QuBe-Projekt) einen Fachkräfteindikator entwickelt. In der sechsten Welle soll dieser durch eine neue Kennziffer ersetzt werden. Dabei handelt es sich um die adjustierte Suchdauer. Sie gibt an, wie viele Tage ein Unternehmen benötigt, um eine Fachkraft mit passender Qualifikation für die Besetzung einer Stelle zu finden.

Eine bestimmte Dauer ist unvermeidlich (Ausschreibung, Bewerbung, Sortieren der Daten und E-Mail-Adresse, Vorstellungsgespräche). Wenn die adjustierte Suchdauer bei den Unternehmen sich aber länger ausdehnt, deutet dies auf einen sich verschärfenden Fachkräftemangel hin. Im Jahr 2019 belief sich die adjustierte Suchdauer in Deutschland quer durch alle Branchen und Jobs auf 64 Tage. 

Welche Ursachen hat der Mangel von Fachkräften in Deutschland?

Ein wesentlicher Grund für den Mangel an Fachkräften in Unternehmen der Industrie und im Dienstleistungssektor ist die demografische Entwicklung. Denn diese beeinflusst unmittelbar das verfügbare Erwerbspersonenpotenzial. Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (zwischen 15 und 70 Jahren) wird in den kommenden Jahren stetig zurückgehen und im Jahr 2040 ein Level von 53,4 Millionen erreichen (Statistisches Bundesamt). Dies senkt die Anzahl an verfügbaren Bewerbern und Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt.

Auch die Präferenzen bei der Berufswahl, die Erwerbsquote der Frauen und das Ausmaß der Flexibilität seitens der Erwerbsfähigen stellen relevante Einflussfaktoren dar. Aus diesen Faktoren ergibt sich für die Politik die Möglichkeit zum Gegensteuern, die in den letzten Jahren bereits mit verschiedenen Gesetzen und Programmen genutzt wurde.

Auf der Seite der Nachfrage spielt der ökonomische Strukturwandel eine wichtige Rolle als Grund für den Engpass bei der Verfügbarkeit von Fachkräften. Die Digitalisierung ist eine wesentliche Ursache dafür, dass viele einfache Tätigkeiten in der Industrie und im Dienstleistungsbereich wegfallen. Dagegen steigt der Bedarf an gut qualifizierten und spezialisierten Arbeitskräften, die anspruchsvolle Aufgaben in der Wirtschaft und Industrie wahrnehmen können.

Die zunehmende Exportorientierung der deutschen Wirtschaft ist ebenfalls ein Grund, der dazu beiträgt, dass High Potentials am Arbeitsmarkt benötigt werden. Denn hier ist der Wettbewerb um die Produkt- und Prozessqualität besonders stark ausgeprägt.

Der demografische Wandel wirkt sich auch auf der Nachfrageseite aus. Da die Menschen älter werden, steigt der Bedarf an Pflegekräften ganz erheblich. Diese Entwicklung betrifft auch andere Industrieländer (z. B. Großbritannien, Italien, Österreich).

Welche Branchen und Berufsgruppen trifft der Fachkräftemangel besonders hart?

Im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel ist oft von den MINT-Berufen  (Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften und Informatik) die Rede. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln können pro Jahr über 250.000 Stellen in Ingenieursberufen nicht besetzt werden. Ähnlich problematisch ist die Situation im IT-Bereich. Nach Angaben des Branchenverbandes BITKOM beläuft sich der Anteil der deutschen Informations- und Telekommunikationsfirmen mit Fachkräftemangel auf 60 Prozent.

An der Spitze bei der adjustierten Suchdauer stand im Jahr 2019 die Branche Mechatronik, Energie und Elektro mit rund 100 Tagen. An zweiter Stelle folgte die Branche Informatik, Informations- und Kommunikationstechnologie. Bedeutend ist auch die Entwicklung dieser Kennziffer im Zeitverlauf. Am deutlichsten ist der langfristige Anstieg der Dauer für die Suche nach geeigneten Fachkräften in folgenden Bereichen:

  • Informatik-, Informations-, Kommunikationstechnologie (plus 10 Tage),

  • Medizinischen Gesundheitsberufe (plus 7 Tage),

  • Nichtmedizinische Gesundheits-, Körperpflege- und Wellnessberufe Medizintechnik (plus 5 Tage),

  • Schutz, Sicherheit, Überwachung (plus 5 Tage).

Zu den von der Entwicklung des Fachkräftemangels besonders betroffenen Jobs gehören auch hochspezialisierte Einzelprofessionen, insbesondere auch in Handwerksberufen. Die Ursache besteht darin, dass sehr komplexe  Aufgaben eine längere Ausbildungszeit und mitunter ein bestimmtes Zertifikat erfordern. Sie sind ausschließlich von dem entsprechend qualifizierten Personal auszuführen. Im öffentlichen Dienst könnten ebenfalls Funktionsträger in technischen Berufen und spezialisierten Professionen ab dem Jahr 2030 fehlen.

Folgen des Fachkräftemangels

Der Fachkräftemangel kann unter Umständen drastische Einschnitte und negative Konsequenzen für betroffene Branchen nach sich ziehen. Ist zu wenig Fachpersonal vorhanden, können Aufträge nicht angenommen werden. Dies führt langfristig zu Umsatzeinbußen. Dazu kommt, dass die vorhandenen Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt teurer werden, Arbeitgeber müssen dies in Kauf nehmen, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Dennoch können die höheren Personalkosten vor allem kleine Betriebe und den deutschen Mittelstand vor Herausforderungen stellen, die über ein geringeres Budget verfügen als internationale Großunternehmen. Festzuhalten ist, dass qualifizierte Fachkräfte ein wesentlicher Faktor sind, der das nachhaltige Wirtschaftswachstum ermöglicht, weshalb es sinnvoll ist, dieser Entwicklung vorzubeugen und mit gezielten Maßnahmen gegenzusteuern. 

Wo besteht das größte Fachkräftepotential im Inland?

Das Fachkräftepotential im Inland besteht vor allem in akademischen Berufen.

  • Gut vier Millionen der Absolventen, die bis 2040 vom inländischen Bildungssystem auf den Arbeitsmarkt übergehen, verfügen über einen höheren Hochschulabschluss (ohne Bachelor und Diplom (FH)).

  • Rund 4,5 Millionen haben einen Bachelorabschluss bzw. ein Fachhochschul-Diplom vorzuweisen oder nach abgeschlossener Berufsausbildung eine Fortbildung absolviert (z. B. Meister, Techniker, Betriebswirt im Handwerk, Fachwirt).

  • Bis 2040 werden rund 2,5 Millionen Menschen mit einem Hochschulabschluss (ohne Bachelor und Diplom (FH)) und etwa 5,3 Millionen Personen mit einer Aufstiegsfortbildung bzw. einem Bachelor oder FH-Diplom aus dem aktiven Erwerbsleben ausscheiden.

  • Gut 10 Millionen Menschen, und damit eine viel höhere Anzahl, mit einem beruflichen Abschluss (duale Ausbildung) werden in diesem Zeitraum in den Ruhestand gehen.

Diese Daten zeigen deutlich, dass das Potenzial an inländischen Fachkräften deutlich zunimmt. Immer mehr junge Menschen streben in akademische Berufe (z. B. Stellen für IT-Fachkräfte). Viele von ihnen werden mit dem entsprechenden Abschluss gute Chancen als Fachkraft auf dem deutschen Arbeitsmarkt haben. 

Gleichzeitig können u. U. auch Menschen, die in den Ruhestand gehen, für den Arbeitsmarkt reaktiviert werden.

In verschiedenen Studien wurde belegt, dass eine Erhöhung der Frauenerwerbsquote auch in einer langfristigen Betrachtung zu einem Schließen der Angebotslücke auf dem Arbeitsmarkt beitragen kann. Besonders stark ausgeprägt ist die Frauenerwerbsquote bei den Jobs für Hochqualifizierte.

Fraglich ist aber, ob diese Entwicklung bereits ausreicht, um den Fachkräftebedarf bis 2030 und darüber hinaus zu decken.

Welches Potential besitzen internationale Fachkräfte, um den Mangel zu lindern?

Insgesamt werden in Deutschland in den kommenden Jahren (bis 2040) rund 20 Millionen Personen aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheiden. Dagegen werden nur circa 19 Millionen Menschen neu auf den Arbeitsmarkt treten. Darunter sind auch Erwerbspersonen, die aus anderen Ländern in die Bundesrepublik zugezogen sind. Zu beachten ist außerdem, dass bis 2040 voraussichtlich etwa 350.000 deutsche Erwerbspersonen in das Ausland abwandern werden.

Laut Angeben der Friedrich-Ebert-Stiftung belief sich bei den LKW-Fahrern der Anteil  ausländischer Arbeitskräfte im Jahr 2020 auf mehr als 23 Prozent. Die Folge des Fachkräftemangels in der Logistikbranche wurde 2021 in Großbritannien in dramatischer Weise offenkundig. In der Gastronomie betrug die Quote der Migranten in der Bundesrepublik im Jahr 2020 31 Prozent. Im Bundesland Baden-Württemberg sind 34,7 Prozent der Berufskraftfahrer Migranten. In der Fleischverarbeitung im Land Niedersachsen beträgt dieser Anteil 60 Prozent. 

Die Zuwanderung gilt mittel- und langfristig als bedeutsame Stellschraube, um die drohende Angebotslücke auf dem Arbeitsmarkt zu schließen. Der Statistik der sechsten Welle des QuBe-Projektes zufolge hat sich der Anteil der Migranten an der Bevölkerung von 10,5 Prozent auf 15,5 Prozent (Stand: 2020) erhöht. Somit steigt das Potenzial, mit Hilfe von Arbeits- und Fachkräften aus dem Ausland offene Stellen zu besetzen. Dies ist eine Möglichkeit, dem entstehenden Fachkräfteengpass entgegenzuwirken. 

Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Schelle, hat die erleichterte Zuwanderung qualifizierter Arbeitnehmer gefordert. Demzufolge benötige Deutschland etwa 400.000 internationale Arbeitskräfte pro Jahr, damit die freien Stellen in Zukunft besetzt werden können. Besonders wichtig in den kommenden Jahren sei dies in den Bereichen der Pflege, der Klimatechnik und der Logistik, so BA-Chef Scheele.  

Fazit: Der drohende Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, besonders im MINT-Bereich, erfordert in den nächsten Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen durch den Staat und die Bundesregierung, die Bundesagentur für Arbeit sowie die Wirtschaft (große, kleine und mittlere Unternehmen). Zu diesen Maßnahmen zählen insbesondere:

  • gesteuerte Zuwanderung und gezielte Anwerbung ausländischer Fachkräfte, 

  • Unterstützung der Zugewanderten beim Erwerb und Ausbau von Sprachkompetenzen,

  • bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf,

  • flexiblere Arbeitszeitmodelle und Arbeitsplatzkonzepte wie Home Office (auch über die Corona-Krise hinaus),

  • gutes Image der Unternehmen (Arbeitgebermarke) und eine gezielte Ansprache geeigneter Arbeitnehmer / Bewerber mit der gesuchten Qualifikation und Fähigkeit,

  • verbesserter Zugang der Arbeitnehmer zur beruflichen sowie betrieblichen Fort- und Weiterbildung,

  • mehr Angebote für junge Menschen bei der beruflichen Orientierung (zum Beispiel engere Kooperation zwischen Unternehmen und Schulen),

  • Kampagnen zu den Karriereperspektiven in den MINT-Berufen.


Quellen: 

https://de.statista.com/themen/887/fachkraeftemangel/

https://www.bibb.de/de/11734.php

https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/fachkraeftemangel-deutschland-gehen-die-arbeitskraefte-aus-ba-chef-scheele-fuer-400-000-migranten-pro-jahr/27543700.html

Über den Autor: Adrian Hergt
Adrian Hergt

Adrian Hergt ist Redakteur bei hiral. Außerdem arbeitet er als Dozent für Volkswirtschaftslehre, Berufsfeldentwicklung, wissenschaftliches Arbeiten und Kommunikation. Er schreibt vorrangig Fachtexte im personalwirtschaftlichen Kontext und speziell mit Fokus auf Recruting.

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